"...auch ohne Kirche geht´s mir gut"

Pressemitteilung 04. Juni 2021

„Wir möchten von Ihnen lernen“ - Studie zu Kirchenaustritten im Ev.-luth. Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte

Unter dem Slogan „…auch ohne Kirche geht’s mir gut“ wurden zwischen 11. und 31. März 2021 insgesamt 836 Personen über 18 Jahren angeschrieben, die in den Kalenderjahren 2019 und 2020 aus einer der 21 Kirchengemeinden des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Melle-Georgsmarienhütte ausgetreten sind. Das persönliche Anschreiben mit der Bitte um Teilnahme an einer Online-Befragung war unterzeichnet vom Superintendenten des Kirchenkreises Hannes Meyer-ten Thoren.
Die Durchführung und wissenschaftlichen Begleitung leitete Prof. Dr. Torben Kuhlenkasper, Institut KuCADU, Bad Essen.

Teilnehmende:

206 Personen, das entspricht einer Teilnahmequote von 24,6 %. Davon waren ca. je zur Hälfte Frauen/Männer, alle Altersgruppen ab 18 Jahren bis über 75 Jahren waren vertreten. Größten Anteil an den Antworten hat die Gruppe der 25-34jährigen (rd. 1/3) gefolgt von der der 45 -64jährigen (jeweils ¼). Die angeschriebenen Personen konnten jeweils nur einmal an der Umfrage teilnehmen.
Die Teilnehmenden waren aufgefordert, zu insgesamt 14 Aussagen zu Kirche ihre Zustimmung bzw. Ablehnung zu quantifizieren. Dies geschah mittels einer Skala von - 4 (vollständige Ablehnung der Aussage) bis + 4 (vollständige Zustimmung zu der Aussage).

1.    Wichtige Aussagen:

Stärkste Zustimmung gab es bei der Aussage, dass es in den Kirchen zu viele Missbrauchsfälle gegeben hat. Hier wurde bewusst die Formulierung „in den Kirchen“ gewählt, um die Meinung zu dieser Aussage über die evangelisch-lutherische Kirche hinaus zu erfassen. Ähnlich große Zustimmung erhielt die Aussage, ein christliches Leben auch außerhalb der Kirche führen zu können.
Starke Zustimmung auch bei der Aussage zu der mangelnden Transparenz bei der Verwendung der Kirchensteuer. Die fehlende Nachvollziehbarkeit der Verwendung von Kirchensteuern wird kritischer gesehen, als deren Höhe. Gestützt wird diese Einschätzung durch die mehrheitliche Ablehnung der Aussage, sich die Kirchensteuer nicht mehr leisten zu können. Bei Frauen spielte die Kirchensteuer jedoch häufiger eine Rolle für den Austritt.
Eine Mehrheit der Ausgetretenen bemängelt zudem die fehlende Anpassung an den Zeitgeist und moderne Entwicklungen in Kirche. Erwartungsgemäß gibt es bei dieser Aussage erhebliche Altersunterschiede: Je jünger die ausgetretene Person, desto mehr stimmt sie der Aussage einer fehlenden Anpassung zu; je älter die Person, desto eher bemängelt sie die zu starke Anpassung der Kirche an den Zeitgeist. Interessantes Detail: Ein persönlicher Schicksalsschlag spielt für den Austritt aus Kirche keine Rolle.

Ein ähnlich altersspezifisches Ergebnis erzielt die Frage nach attraktiven Angeboten für die eigene Altersgruppe. Dieses wird umso mehr vermisst, je jünger die Personen sind. Insgesamt zeigen die Werte allerdings auch, dass jede Altersgruppe entsprechende Angebote in der evangelischen Kirche eher vermisst.

2.    Gibt es eine Chance, ehemalige Kirchenmitglieder zurück zu gewinnen?

Ja, die Chance besteht sogar bei einem überraschend hohen Anteil von 45 % . Auf drei Antwortmöglichkeiten in zufälliger Reihenfolge gaben 50% an, sich einen Wiedereintritt gar nicht mehr vorstellen zu können. 5% gaben an, bereits einer anderen Kirche oder Glaubensgemeinschaft beigetreten zu sein. 45% allerdings können sich einen Wiedereintritt in die ev.-luth. Kirche unter bestimmten Bedingungen vorstellen. Ausschlaggebend ist für diese Personengruppe eine moderne, offene Entwicklung von Kirche – diese Bedingung wird vor allem von Frauen aller Altersgruppen genannt. Zu dieser geforderten Offenheit ist auch die aktive Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu zählen. Eine weitere Bedingung ist die Kirchensteuer. Während deren Höhe von den ausgetretenen Personen sehr unterschiedlich beurteilt wird, ist für alle eine bessere Transparenz der Mittelverwendung aber auch ihre Ausgestaltung Bedingung für einen Wiedereintritt.
Bei den Ergebnissen der Online-Befragung spielen geschlechtsspezifische Unterschiede insgesamt eine untergeordnete Rolle. Unterschiede in den Altersgruppen sind hingegen deutlicher zu erkennen. Dies wird sowohl bei der Frage nach der Anpassung der Kirche an den Zeitgeist als auch bei der nach altersspezifischen Angeboten deutlich. Finanzielle Aspekte für den Wiedereintritt in Kirche haben in der Altersgruppe der 55 – 64-Jährigen die höchste Relevanz. Die in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen um Missbrauchsfälle in Kirche haben insgesamt eine große Bedeutung für den Kirchenaustritt

3.    Was haben wir gelernt?

Transparenz ist wichtig – Statistiken zur Kirchensteuer reichen nicht. Transparenz auch in der Aufarbeitung von Missbrauch wird eingefordert. Partizipation und Dialog sind wichtig - Angebote alleine reichen nicht. „Die kritischen Anmerkungen aus der Umfrage verstehen wir als Ansporn und positive Herausforderung. Den Dialog wollen wir im Zukunftsprozess Kirche weiterführen“, betont Superintendent Hannes Meyer-ten Thoren.
(Text: Brigitte Neuhaus, Foto: Wiebke Ostermeier/Landeskirche Hannovers)

Kontakt

Superintendent Hans-Georg Meyer-ten Thoren
Krameramtsstr. 10
49324 Melle
Tel.: 05422 1601