Umfangreiches Schutzkonzept gegen sexualisierte Gewalt

Pressemitteilung Osnabrück, 31. August 2023

Evangelischer Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte startet mit Umsetzung

Pastor Ulrich Krause-Röhrs
Pastor Ulrich Krause-Röhrs von der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers stellt das Schutzkonzept vor, Foto: Ev.-luth. Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte/Birte Hoppe

„Wir werden für jede der 21 Kirchengemeinden und jede Einrichtung in unserem Kirchenkreis ein eigenes Schutzkonzept zur Vorbeugung gegen sexualisierte Gewalt erarbeiten“, so Hannes Meyer-ten Thoren, der Superintendent des Kirchenkreises Melle-Georgsmarienhütte. „Als Kirche tragen wir eine große Verantwortung in diesem Bereich. Wir wollen sichere Orte haben und verhindern, dass Begegnungen und Vertrauen missbraucht werden können.“ Den Startschuss für diese Präventionsmaßnahme gab Pastor Ulrich Krause-Röhrs, der bei der Fachstelle Sexualisierte Gewalt der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover im Bereich Prävention arbeitet und das Schutzkonzept für die Landeskirche in der Kirchenkreissynode vorstellte. Am nächsten Tag wurden bereits in der Kirchenkreiskonferenz die Mitarbeiter der Kirche in einem ganztägigen Workshop geschult.

„Sexualisierte Gewalt hat in den letzten Jahren zugenommen. Zehn Prozent davon finden in Institutionen statt: in Schulen, Sportvereinen, Kindergärten, Seniorenheimen und Kirchen. 90 Prozent der Fälle sexualisierter Gewalt finden dementsprechend im näheren sozialen Umfeld der Familien statt“, erklärt Krause-Röhrs. Es ist ein Irrglaube zu meinen, dass sexualisierte Gewalt immer nur von unbekannten Tätern verübt wird und die Tat spontan ist.“ In den meisten Fällen kennen sich Betroffene und Täter. Die eigentliche Tat wird meist sorgfältig und zielgerichtet vorbereitet. Und was die Zuhörer am meisten verwundert, ist, dass jeder dritte Täter unter 21 Jahre ist. Man geht heute davon aus, dass durchschnittlich in einer Schulklasse zwei bis drei Kinder sitzen, die schon einmal mit sexualisierter Gewalt in Berührung gekommen sind. „Was dieses Thema so schwierig macht: es gibt kein eindeutiges Täterprofil. Es geht durch alle sozialen Schichten und oftmals ist es gerade der nette Typ von nebenan, von dem sich keiner so eine Tat vorstellen kann“, gibt der Beauftragte der Landeskirche zu bedenken. „Betroffene reagieren sehr unterschiedlich auf die Taten: laut, leise, traurig, verschlossen oder ängstlich. Aus Scham werden diese oft nicht angezeigt, außerdem bauen Täter Druck auf, um Betroffene zum Schweigen zu bringen: ‚Wenn du jemandem etwas sagst, mache ich deine Familie fertig oder bringe mich um‘. Außerdem wird ihnen eine Mitschuld gegeben: ‚Du hast das doch auch gewollt!‘. Durchschnittlich brauchten Betroffene 25 Jahre, bis sie sich zu einer Aussage trauten. Hinzu kam in der Vergangenheit, dass erst die achte Person Kindern und Jugendlichen Glauben schenkte.“

Nach der MeToo Debatte und den gesellschaftlichen Diskussionen um Missbrauchsfälle in den Kirchen und der Odenwaldschule wurden vermehrt auch Fälle aus dem Sportbereich, Theatern und Filmbranche, Polizei, Feuerwehr, Kindergärten und weiteren Schulen gemeldet. Insgesamt ist eine größere Sensibilität gegenüber Fällen sexualisierter Gewalt entstanden. Darin liegt eine große Chance für die Entwicklung von Schutzkonzepten bei einzelnen Einrichtungen und Gemeinden. Weil Menschen aufmerksamer geworden sind, gucken sie bei Fällen sexualisierter Gewalt genauer hin und reagieren schneller. Hinschauen, helfen und handeln – darum geht es, und wer weiß, an wen er sich im Zweifelsfall wenden kann, sucht schneller Rat und Hilfe. „Zusammen schaffen wir das, was den einzelnen überfordert!“ Davon ist Krause-Röhrs überzeugt. „Eine Person, die genau hinschaut, kann den Unterschied machen! Sie kann verhindern, dass es weitere Vorfälle gibt. Denn darum geht es vor allem: möglichst keine weiteren Betroffenen! Keine weiteren Taten und keine weiteren Täter und Täterinnen!“

Doch wo beginnt sexualisierte Gewalt? Sie beginnt dort, wo die Grenze von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen überschritten und die Intimsphäre verletzt wird. Das können blöde Sprüche über den eigenen Körper oder wiederholte anzügliche Bemerkungen eines Kollegen oder Vorgesetzten sein. Oder wenn Kinder gezwungen werden, sich zum Krippenspiel im von allen Seiten einsehbaren Gemeindesaal umzuziehen, auch wenn einige Kinder das unangenehm finden. Der absichtliche Griff an den Po und andere intime Körperbereiche sind ein Übergriff. Sexuelle Handlungen an Kindern und Jugendlichen durch Trainer, Lehrer oder Pastoren gelten als Missbrauch von Schutzbefohlenen.
Um sich bei einem Verdachtsfall Rat einzuholen, steht die Landeskirche mit ihrer Fachkompetenz zur Verfügung. Sollte sich der Verdacht erhärten, prüft der Superintendent den Vorfall auf Plausibilität. Im Ernstfall drohen dem Täter nicht nur arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Verlust der Arbeitsstelle, sondern auch zivil- und strafrechtliche Konsequenzen.

Zu Beginn eines jeden Schutzkonzeptes steht eine Risiko- und Ressourcenanalyse, das heißt: welche Schwachstellen hat jede Institution und was für Erfahrungen gibt es bereits. Darauf aufbauend wird dann das Schutzkonzept mit verschiedenen Punkten wie Personalverantwortung, Fortbildungen, Krisenplan und Beschwerdeverfahren erarbeitet. Eine große Aufgabe für alle Kirchengemeinden und Einrichtungen des Kirchenkreises – doch sie stehen nicht allein da: alle 48 Kirchenkreise der Landeskirche werden solche Schutzkonzepte bis Ende 2024 erarbeiten und in ihren Alltag integrieren.

Birte Hoppe, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
im Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte

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